Coastal Abenteuer rund um Amrum

Coastal Rowing goes Olympia – LA 2028. Ein paar MRC-Abenteurer haben die neue Disziplin auf der wilden Nordsee getestet. Mit manchen Überraschungen, aber Riesenspaß.

Coastal Rowing, die Wildwasser-Variante des Ruderns, wird typischerweise auf offener See ausgeübt. Das Camp in Amrum, das bereits mehrfach von Tobias Wischer von der RG Wiking Berlin organisiert wurde, setzt da noch einen drauf mit dem von der Tide, den Gezeiten abhängigem Rudern auf der Nordsee. Verwendet werden spezielle Coastalruderboote, breite, stabile Boote, die sich für raues offenes Wasser und Wellen eignen. Die Boote haben einen Bug, der leicht durch Wellen schneidet und ein offenes Heck, um einlaufendes Wasser leicht abzulassen. Anders als bei Inriggern wird geskullt und es gibt kaum Platz für Gepäck. Die Füße sind meist im Wasser.

Durch Touren in Inriggern auf der Ostsee angefixt sowie guten Erfahrungen mit Coastal-Booten auf dem Lago Maggiore, war das Coastal Rowing Camp auf Amrum schon länger auf meiner „bucket-list“. Endlich mal auch ein Rennen mit beach-sprint versuchen – und genau das sah das Programm vor, das jedes Jahr an Himmelfahrt stattfindet. Samantha hat sich dem Vorhaben schnell angeschlossen, und später fanden sich weitere Neugierige vom MRC1880, die dann über eine Warteliste auch ihre Zusage zur Teilnahme erhielten (Guido Gilbert, Pia Benedigt, Julia Koglmeier, Julia Moser, Michael Zink, Kay Behrens). Zu den Booten des Deutschen Ruderverbands DRV wurden weitere Boote organisiert, um alle Interessenten mitnehmen zu können. Schließlich waren es 85 Teilnehmende aus 30 Vereinen aus Berlin, Hamburg, Lübeck, Hannover, Neuss und anderen deutschen Städten.

Ein Großteil unserer Gruppe traf sich im Nachtzug nach Hamburg, den Empfehlungen der Veranstalter folgend mit Neoprenkleidung, Fahradhandschuhen (wg Blasenbildung durch Salzwasser), Rettungsweste und Vereinsfahne im Gepäck.

Der Weg führte uns nach mehreren Änderungen der DB (Zug endete mit großer Verspätung ungeplant in Niebüll) mit der Fähre ab Dagebüll nach Wittdün auf Amrum. Auf der Fähre trafen wir dann weitere Teilnehmende vom MRC, die auch Räder dabei hatten, da das einfach praktischer ist für die Wege auf der Insel und zum Camp.

Eine frische Brise empfing uns auf Amrum. Zunächst ging es mit dem Bus nach Norddorf und in die diversen Unterkünfte. Und die meisten schnell noch ein Rad besorgen.

Zum Start des Camps gab es abends ein „get together“ am Norddorfer Strand an der Surfschule Boyens.

Offizieller Beginn war dann am Himmelfahrtsmorgen um 9.00. Dann wurden an einer Tafel die Mannschaften eingeteilt (Vierer, Zweier oder Einer).

Die Boote wurden fertig gemacht und das „basecamp“ eingerichtet: ein großer Kreis an Strandkörben, wo man sich umziehen, ausruhen und klönen konnte.

Es versprachen schwierige Bedingungen zu werden, die Tour nach Sylt und auch rund um die Robbeninsel werden nicht möglich sein, wurde verkündet. Die Anweisungen waren klar: Alle Boote bleiben bei der Ausfahrt zusammen. Es wird in mehreren Slots gerudert, wobei es nicht nur eine Obperson im Boot gibt, sondern auch einen Pulk-Obmann. Hebt er die Fahne, wird angehalten und seine Anweisungen werden befolgt. Aufgepasst werden muss (besonders bei den Niedrigwassertouren), dass man nicht auf einer Sandbank strandet. Oder Skulls oder die Finne im Sand steckenbleiben und brechen bzw. verbiegen.

Die Wetter-Apps kündigten einen zunehmend windigen Tag an. Der erste Slot sollte im Niedrigwasser Richtung Norden zur Kormoraninsel rudern (zwischen Amrum, Föhr, Sylt gelegen). Er sollte wettermäßig der ruhigste sein. Die Costal-Novizen hatten da Vortritt. 

Der Start der Boote erfolgt im knietiefen Wasser (wegen der Finne). Und los ging es bei glattem Wasser. Weiter nördlich war die Strömumg jedoch zu stark, um zur Kormoraninsel zu rudern. Die Gruppe drehte am Nordende von Amrum um, die starke Strömung im Priel zwischen Amrum und Sylt bestaunend (ein natürlicher, oftmals mäandrierender Wasserlauf im Watt).

Ich war dann im zweiten Slot im gesteuerten Vierer bei auflaufendem Wasser. Wir wollten ursprünglich bis zur Höhe von Nebel rudern. Es gab Mega-Wellen (1,1 m) und starke Strömung. Schon das Einsteigen in der Brandung war herausfordernd. Auf dem Wege ließen sich die Wellen bewältigen, wenn man sich im Boot parallel dazu stellt – alte Ruderregel. Dies ist jedoch unbedingt zu vermeiden, wenn sich die Wellen brechen, dann besteht Gefahr zu kentern. Zum Glück waren in allen Booten erfahrene Ruderer/innen. 

Die Strömung war sehr stark – man zieht und zieht an den Skulls und kommt fast nicht von der Stelle. Die volle Kraft der Nordsee. Wir sind dann umgedreht und waren ratz fatz am Ausgangspunkt zurück. Beim Anlanden sind wir alle ins Wasser aus dem Boot und haben erst dann gemerkt, dass wir auf einer Sandbank waren und uns ein tiefer Priel vom Ufer trennte. Schnell standen wir bis zur Brust im kalten Wasser. Dank der Neoprenkleidung kein Problem.

Am Nachmittag konnten wir uns mit Tee mit Rum und köstlichen friesischen Waffeln aufwärmen.

Wie an der Nordsee üblich, änderte sich das Wetter ständig, und so auch die Tourenplanung. Der nächste Tag war noch windiger. Statt des geplanten „rund um Amrum“ hieß es: drei Slots am Norddorfer Strand. Für die Freunde von Wind und Wellen eine schöne, aber anstrengende Ausfahrt entlang der Küste, hin- und herpendelnd. Manche schafften es auch wirklich, auf den Wellen zu surfen. „Schön“ rudern war nicht im Programm, Luftschläge keine Seltenheit. Beim Costal Rowing werden solche herausfordernden Bedingungen aber tatsächlich gewünscht.

Abends wurde bei steifer Brise bei der Surfschule am Strand gegrillt und in einem Kreis von Strandkörben gechillt.

Der Samstag versprach windstill zu werden. „Rund um Amrum“ sollte um 4.30 starten, als Regatta 30 km am Stück. In früheren Jahren wurde die Runde auch als Staffel gefahren, was sich jedoch als unpraktisch herausgestellt hat, da die Boote im Schlick anlanden mussten. So blieb diese lange Tour eher den geübten Coastal-Ruderern vorbehalten. Sie waren um 7.30 schon wieder zurück, in Rekordzeit.

Für die weniger Erfahrenen waren danach Ausfahrten nach Nebel im Angebot. Ich war diesmal im wendigen Zweier – ein völlig anderes Rudern bei seichtem Wasser, Sonne und Blick auf Dünenlandschaft und Leuchttürme. Ein Genuss!

Danach sollten die Beachsprint-Rennen stattfinden. Beim Rennen befinden sich Start und Ziel am Strand, markiert durch eine Fahne, ca. 50 m von der Wasserkante entfernt. Im Wasser wurden Bojen installiert, die zu umrunden waren. Pro Mannschaft muß jeweils eine Teilnehmer/in am Start erscheinen. Sie/er sprintet zu dem im Wasser wartenden, von der Mannschaft besetzten Boot, dann geht’s los raus aufs Meer, um die Boje und zurück zur Küste. Eine/r springt aus dem Boot und sprinted zum Ziel.

Alles war aufgebaut, aber plötzlicher dichter Nebel machte diese Pläne zunichte. Die Bojen waren nicht mehr sichtbar. Rudern nicht möglich. Lange Gesichter.

Nun waren alle heiß auf den Beachsprint und so erfand Tobi ein neues Format, den „Prielsprint ohne Boot“. Die vier ursprünglich zum Rudern in Staffel gemeldeten Gruppen liefen vom Startpunkt am Strand Richtung Meer durch ein Priel, umrundeten eine Fahne und kamen zum Start zurück. Die Teams gaben alles, wobei interessante Techniken entwickelt wurden (z.B. Stelzengang oder kopfüber) und manch einer ging dabei im Priel baden. Alles unter großem Jubel und Anfeuerungsrufen (https://youtu.be/GwA4rwaSOKI, externer Link). Ob der Prielsprint irgendwann auch olympisch wird?

Gut gelaunt wurden die Boote geputzt und aufgeladen. Dann ging es zur Siegerehrung am Kiosk der Surfschule.
„Volle Pulle rund um Amrum“ im Vierer wurde gewonnen von drei Frauen, einem Mann & Steuerfrau mit einer Zeit von 2,45 Stunden (2,39 frühere Bestzeit). Im Zweier wurde von Organisator Tobi im Mixed Team mit Hannah Strothmann vom Neuköllner Ruderclub Berlin eine neue Bestzeit aufgestellt: 2,36 Std. Es wurde noch einige Zeit im Sand gefeiert, gemütlich, gesellig, sonnig und windstill – man wollte gar nicht mehr aufbrechen.

Mit einem MRC1880-Abschiedsessen am Abend im Restaurant Neptun endete dann die fröhliche und beeindruckende Fahrt für unsere Gruppe.

Einige konnten noch einen Tag verlängern und haben am Sonntag noch eine geführte Wattwanderung von Amrum nach Föhr gemacht. Bei mildem Wetter und Sonne ging es ca. 10 km durch die Marsch und das Watt. Natur pur mit Vögeln, Krebsen, Muscheln, Schnecken, Würmern, einem Wrack, blauem Himmel und Blick auf die umliegenden Inseln Amrum, Sylt und Föhr. Auf halbem Weg musste ein Priel durchquert werden, bis zum Bauchnabel im Wasser watend. Abends ging es mit Bus und Fähre zurück nach Amrum. 

Auf der Rückfahrt zum Festland am nächsten Tag konnte man die Sonne auf dem Sonnendeck genießen und dabei Seehunde und Robben beobachten. Ein erholsamer und ruhiger Abschluß nach den wilden Tagen.

Das nächste Coastal Rowing Camp Amrum findet Himmelfahrt 2027 statt (2026 wird pausiert) –  probiert es einfach aus (Infos: https://coastalrowingamrum.de/, externer Link)!

Konstanze Steinheimer-Breitkreutz